Rei­se­be­richt: Côte d’I­voi­re 2024

Im März/April die­ses Jah­res ist wie­der ein Teil des Vor­stan­des der Mind­ful Chan­ge Foun­da­ti­on, Micha­el Hup­pertz und Mania Kroll, in die Elfen­bein­küs­te gereist um sich vor Ort einen Ein­druck über das Fort­schrei­ten der von uns unter­stütz­ten Pro­jek­te zu machen, uns mit den loka­len Partner:innen aus­zu­tau­schen und gemein­sam die nächs­ten Schrit­te zu planen.

Lesen Sie hier unse­ren aus­führ­li­chen Bericht:

TV-Repor­ta­ge über das CAMP­P­SY-Pro­jekt in der Elfenbeinküste

Am 22. Novem­ber 2023 ver­öf­fent­lich­te der ivo­ri­sche Pri­vat­fern­seh­sen­der NCI eine Repor­ta­ge über das CAMP­P­SY-Pro­jekt mit dem Titel “Camps de priè­re: le com­bat des pro­fes­si­onnels de la san­té” und ver­öf­fent­lich­te sie auf dem offi­zi­el­len NCI YouTube-Kanal.

Unser News­let­ter 2023

Wir möch­ten Ihnen zum Jah­res­en­de 2023 kurz über den Stand der Arbeit der Mind­ful Chan­ge Foun­da­ti­on berichten.

Wir freu­en uns, dass wir auch dank Ihrer Hil­fe unse­re Arbeit für die Men­schen mit schwe­ren psy­chi­schen und epi­lep­ti­schen Erkran­kun­gen in der Elfen­bein­küs­te und Bur­ki­na Faso fort­set­zen konnten. 

Einen umfas­sen­den Bericht über unse­re ver­gan­ge­ne Pla­nung für 2023 und einen Rück­blick auf das vori­ge Jahr 2022 fin­den Sie auf der Startseite.

WHO berich­tet über Pro­jekt in den Gebetscamps

Am 10. Okto­ber hat die WHO einen Bericht über die Unter­su­chung von 2021 und das Camp­p­sy-Pro­jekt in der Elfen­bein­küs­te ver­öf­fent­licht, das von den Schmitz-Stif­tun­gen aus dem EZ-Klein­pro­jek­te­fonds und uns finan­ziert und mit­ge­plant wur­de. Die­se Ver­öf­fent­li­chung ist ein wich­ti­ger Schritt, um die Situa­ti­on der Patient:innen in den Pray­er Camps inter­na­tio­nal bekannt zu machen und zu zei­gen wie sie ver­bes­sert wer­den kann.

Lesen Sie hier den gan­zen Artikel

Geschäfts­be­richt 2022

Hier fin­den Sie den aktu­el­len Geschäfts­be­richt 2022 der Mind­ful Chan­ge Foun­da­ti­on.

Bericht über unse­re Rei­se in die Elfen­bein­küs­te im Mai 2023 und den Stand der Pro­jek­te SAMENTACOM und CAMPPSY

Vom 4. bis zum 19. Mai 2023 reis­ten wir, Farie­deh Hup­pertz und Gesi­ne Heet­der­ks, dies­mal in Beglei­tung zwei befreun­de­ter Schwei­zer Arzt­kol­le­gen, Gio­van­na Kis­s­ner und Jürg Skalsky, erneut in die Cote d’Ivoire. Das sozi­al­psych­ia­tri­sche Pro­jekt SAMENTACOM wird die­ses Jahr ergänzt durch das Pro­jekt CAMPPSY: Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wer­den in soge­nann­ten Gebets­camps auf­ge­sucht und behandelt.

Men­schen mit psy­chi­schen und epi­lep­ti­schen Erkran­kun­gen in die medi­zi­ni­sche Grund­ver­sor­gung auf­neh­men — SAMENTACOM

SAMENTACOM steht für San­té Men­ta­le Com­mu­n­au­taire, d.h. psy­chi­sche Gesund­heit auf Gemein­de­ebe­ne. Wie in vie­len armen Regio­nen der Welt wer­den auch in der Elfen­bein­küs­te Men­schen mit schwe­ren psy­chi­schen Erkran­kun­gen oder Epi­lep­sie kaum dia­gnos­ti­ziert und behan­delt. Dar­aus ent­ste­hen leid­vol­le Lebens­um­stän­de für sie und ihre Fami­li­en. Das Pro­jekt Samen­ta­com ver­folgt das Ziel, psy­chisch kran­ken Men­schen eine sozi­al­psych­ia­tri­sche Behand­lung zu ermög­li­chen. Um dies zu errei­chen, ver­mit­telt das SAMEN­TA­COM-Team um den Psych­ia­ter Prof. Médard Koua psych­ia­tri­sche Grund­kennt­nis­se an Ärz­te und Pfle­ge­teams regio­na­ler Gesund­heits­zen­tren. Dort sind die neu aus­ge­bil­de­ten Pfle­ge­kräf­te und Gesund­heits­hel­fe­rin­nen und – hel­fer in der Lage, als ers­te und wich­tigs­te Ansprech­part­ner den Betrof­fe­nen zu hel­fen. Die oft sehr arme länd­li­che Bevöl­ke­rung erfährt so Auf­klä­rung, Unter­stüt­zung und Behand­lungs­mög­lich­kei­ten, wo psy­chi­sche Krank­hei­ten bis­lang nicht erkannt, anders gedeu­tet und stig­ma­ti­siert wurden.

Das Pilot­pro­jekt SAMENTACOM umfasst rund 10 Gesund­heits­zen­tren und wird von unse­rer Stif­tung seit 2018 finan­ziert. Die Orga­ni­sa­ti­on „Ärz­te ohne Gren­zen“, die das Pro­jekt über­zeu­gend fand, kam als zwei­te NGO dazu und hat 2022 mit der Finan­zie­rung wei­te­rer Gesund­heits­zen­tren begon­nen. Sie fin­den wei­te­re Infor­ma­tio­nen dazu auf unse­rer Website

Die­ses Jahr inter­es­sier­te uns ganz beson­ders der Ver­lauf des neu­en Pro­jekts mit Namen CAMPPSY. Das Pilot­pro­jekt wird von den Schmitz-Stif­tun­gen aus dem EZ-Klein­pro­jek­te­fonds, das über­wie­gend aus BMZ Mit­teln gespeist wird, und uns finan­ziert. Es macht sich zur Auf­ga­be, eine neue Koope­ra­ti­on mit sog. Gebets­camps zu begin­nen, in denen vie­le Män­ner und Frau­en mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen zu fin­den sind.

Zur Situa­ti­on der Men­schen mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen und Epilepsie

In der Elfen­bein­küs­te leben vie­le psy­chisch kran­ke Men­schen in sog. Gebets­camps. Gebets­camps sind Dör­fer zwi­schen 100 und 500 Ein­woh­nern, die über­all im Land ver­teilt sind. Sie sind in der Elfen­bein­küs­te sehr zahl­reich. Bei einer psy­chi­schen Erkran­kung oder einer Epi­lep­sie wer­den die Betrof­fe­nen häu­fig von ihren Ver­wand­ten in die­sen Camps gegen Zah­lung einer bestimm­ten Geld­sum­me unter­ge­bracht. Die Lei­ter die­ser Camps, auch Pro­phe­ten genannt, sind ein­fa­che Leu­te, oft Klein­bau­ern, ohne schu­li­sche Kennt­nis­se. Sie berich­te­ten, sie sei­en von Gott beru­fen, die­se Camps zu füh­ren. Die Pro­phe­ten leben und beten mit den Bewoh­nern für die Kran­ken. Dar­über hin­aus wer­den die­se mit Kräu­tern oder Fas­ten­ku­ren behan­delt, gele­gent­lich auch mit Schlä­gen, um böse Geis­ter aus­zu­trei­ben. Wenn Kran­ke aggres­siv sind oder weg­lau­fen wol­len, wer­den sie – manch­mal über meh­re­re Jah­re – an Bäu­me im Frei­en ange­ket­tet. Eine psych­ia­tri­sche Behand­lung nach dem medi­zi­ni­schen Modell ist weit­ge­hend unbe­kannt und wird zum Teil auch miss­trau­isch betrachtet.

Das Pro­jekt CAMPPSY

Ziel des Pro­jek­tes CAMPPSY ist es, psy­chisch kran­ke Men­schen, die in sol­chen Gebets­camps unter­ge­bracht sind, einer sozi­al­psych­ia­tri­schen Behand­lung zuzu­füh­ren. Die­se Men­schen sind für eine Behand­lung nur erreich­bar, wenn es gelingt, die Lei­ter der Camps zur Zusam­men­ar­beit zu gewin­nen und die Pati­en­ten und ihre Ange­hö­ri­gen über psy­chi­sche Erkran­kun­gen auf­zu­klä­ren. Hier­auf ist das Pro­jekt aus­ge­rich­tet: In zehn sol­cher Gebets­camps sol­len etwa 100 Pati­en­ten eine Behand­lung erhal­ten. Erreicht wer­den soll, dass sie so weit gesun­den, dass sie wie­der in ihren Fami­li­en leben kön­nen und die ange­ket­te­ten Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten von ihren Ket­ten befreit wer­den und sich wie­der frei im All­tag bewe­gen kön­nen. Die wei­te­re Ver­sor­gung kann dann von Gesund­heits­zen­tren, die dafür aus­ge­bil­det sind, über­nom­men werden.

Auf unse­rer Rei­se woll­ten wir uns ein Bild machen über die prak­ti­sche Arbeit vor Ort des CAMPPSY Teams, das vom ivo­ri­schen Psych­ia­ter Médard Koua , Pro­fes­sor für Psych­ia­trie an der Uni­ver­si­tät von Bouaké, zusam­men­ge­stellt wur­de. Wir konn­ten die Tätig­keit des Teams in sie­ben die­ser Gebets­camps beob­ach­ten, beglei­ten und bera­ten. Wir haben vier Gebets­camps in der Gegend von Bouaké und drei Camps in der Gegend der 6 Stun­den und 357 km ent­fernt lie­gen­den Stadt Sou­bré besucht.

Wir tra­fen ein sehr moti­vier­tes Team an, das bereit war, mit uns über die begon­ne­ne Arbeit zu dis­ku­tie­ren und uns in die Zen­tren der prak­ti­schen Arbeit mit­zu­neh­men. Das Team bestand aus Psych­ia­tern, Pfle­ge­kräf­ten, Phar­ma­zie- Assis­ten­zen, Sozio­lo­gen und Agents de San­té (Per­so­nen, die über eine ele­men­ta­re Aus­bil­dung für psy­chi­sche Erkran­kun­gen, vor allem aber gute Kennt­nis­se der loka­len Gege­ben­hei­ten ver­fü­gen). Die Wege zu den Gebets­camps waren extrem schlecht, ins­be­son­de­re nach Regen­güs­sen, eine Her­aus­for­de­rung für Fah­rer und Beglei­ter. Wir wur­den gründ­lich durchgeschüttelt.

Wir konn­ten nur christ­lich geführ­te Camps besu­chen. Mus­li­mi­sche oder tra­di­tio­nel­le Camps sind in der Elfen­bein­küs­te eben­falls zu fin­den. Doch ist es bis­her mit die­sen Camps nicht zu einer Koope­ra­ti­on gekommen.

Von den Pro­phe­ten der Camps wur­den wir freund­lich begrüßt mit einer klei­nen Zere­mo­nie, bei der man Neu­ig­kei­ten aus­tau­schen und Fra­gen stel­len konn­te. Es wur­den auch Bit­ten um Unter­stüt­zung bei Nah­rungs­mit­teln oder beim Bau eines Brun­nens geäu­ßert. Nicht alle Camps hat­ten sau­be­res Was­ser. Die Hüt­ten waren oft sehr ein­fach, manch­mal auch sehr ärm­lich, die Wän­de aus Lehm und zusam­men­ge­sam­mel­tem Holz, die Dächer aus Palm­blät­tern und schwar­ze Plas­tik­pla­nen kon­stru­iert, um die hef­ti­gen Regen­güs­se aufzuhalten.

Die Sprech­stun­den fan­den meist im Frei­en, manch­mal auch in einer ein­fa­chen Hal­le statt, die sonst für Got­tes­diens­te und Ver­samm­lun­gen genutzt wur­de. Kin­der spiel­ten in der Nähe, manch­mal gesell­ten sich auch ande­re Dorf­be­woh­ner dazu, um in einem gewis­sen Abstand zu schau­en, was da geschieht. Es waren auch Ange­hö­ri­ge waren dabei, die mit den Pati­en­ten im Camp leben und sich um sie küm­mer­ten, sie mit Nah­rung und den ver­schrie­be­nen Medi­ka­men­ten versorgten.

Die Pro­phe­ten klag­ten jedoch auch dar­über, dass psy­chisch kran­ke Men­schen mit der Bit­te um Hei­lung in die Camps gebracht wür­den, die Ange­hö­ri­gen sich aber dann aus dem Staub mach­ten, ohne wei­ter für das kran­ke Fami­li­en­mit­glied zu sor­gen. Auch die Wie­der­auf­nah­me der Gene­se­nen in deren Dorf wer­de manch­mal boy­kot­tiert. Gele­gent­lich, so wur­de uns berich­tet, hät­ten die Dorf­be­woh­ner die Fel­der des Kran­ken wäh­rend des­sen Auf­ent­halt im Gebets­camp unter sich aufgeteilt.

Wir sahen vie­le psy­chisch schwer erkrank­te Men­schen, die drin­gend einer Behand­lung bedurf­ten. Auch waren eini­ge seit Jah­ren ange­ket­tet. In den Camps, wo das Team schon begon­nen hat­te zu arbei­ten, berich­te­ten Pati­en­ten und Ange­hö­ri­ge über erstaun­li­che Ver­bes­se­run­gen der Krank­heits­sym­pto­me. Meh­re­re Pati­en­ten konn­ten von ihren Ket­ten befreit werden.

Die meis­ten Gesprä­che wur­den in Baou­lé geführt, einer Spra­che, die ein gro­ßer Teil der ivo­ri­schen Bevöl­ke­rung spricht. Nicht alle sind mit der offi­zi­el­len Lan­des­spra­che Fran­zö­sisch ver­traut. Der Arzt über­setz­te eini­ges. Aber auch das dort gespro­che­ne Fran­zö­sisch konn­ten wir nicht immer ver­ste­hen und waren dann auf unse­re Beob­ach­tun­gen angewiesen.

Die Auf­klä­rung dar­über, dass es sich bei den Sym­pto­men der Pati­en­ten um eine Krank­heit und nicht um Beses­sen­heit durch böse Geis­ter han­delt, scheint inzwi­schen doch eini­ges zu bewir­ken. Für die Ange­hö­ri­gen, oft besorg­te und mit ihren Kin­dern lei­den­de Müt­ter, Ehe­gat­ten oder ande­re – meist weib­li­che – Ver­wand­te war es auch ein Hoff­nungs­schim­mer, dass eine Gesun­dung oder zumin­dest eine Ver­bes­se­rung der Sym­pto­me mög­lich ist und es einen Weg aus der völ­li­gen Aus­sichts­lo­sig­keit gibt. Wir hof­fen sehr, dass die­ses Pro­jekt mehr und mehr Men­schen überzeugt.

Beein­druckt hat uns ein Got­tes­dienst, der nahe eines Gebets­camps statt­fand. Wir wur­den gebe­ten teil­zu­neh­men, weil dort auch für die psy­chisch kran­ken Men­schen gebe­tet wer­den soll­te. Wir fan­den uns inmit­ten vie­ler Men­schen wie­der, die tanz­ten, san­gen und bete­ten und uns lachend begrüß­ten. Ihre Spi­ri­tua­li­tät hat­te etwas sehr Fröh­li­ches, Zuge­wand­tes. Nach dem Got­tes­dienst kamen eini­ge Hil­fe­su­chen­de mit psy­chi­schen Pro­ble­men in die Sprech­stun­de des CAMPPSY Teams auf dem Camp-Gelände.

Man­gel an Medi­ka­men­ten ein wie­der­keh­ren­des Problem

Die Lie­fe­rung von Medi­ka­men­ten stell­te ein aku­tes Pro­blem dar. Phe­no­bar­bi­tal, ein häu­fig ver­wen­de­tes Medi­ka­ment gegen Epi­lep­sie, konn­te über eine gewis­se Zeit nicht gelie­fert wer­den. Dies ist ein Medi­ka­ment, das nor­ma­ler­wei­se von der Natio­na­len Phar­ma­zie­be­hör­de gelie­fert wird. Eine Umstel­lung auf Car­ba­ma­ze­pin, ein bei uns gebräuch­li­ches Anti­epi­lep­ti­kum, war für vie­le Pati­en­ten zu teu­er, weil die Hand­ha­bung eines von uns finan­zier­ten Sozi­al­fonds sich in der Pra­xis immer wie­der als sehr schwie­rig erweist. Es gab logis­ti­sche Pro­ble­me bei der Medi­ka­men­ten­lie­fe­rung. Action Mede­or, unse­re bewähr­te deut­sche Part­ner-NGO, die SAMENTACOM mit Medi­ka­men­ten zu güns­ti­gen Prei­sen belie­fert, konn­te selbst zeit­wei­lig bestimm­te Medi­ka­men­te nicht auf dem Markt beschaf­fen. Aber es gab auch logis­ti­sche Lie­fer­pro­ble­me vor Ort, sodass unse­re Pro­jekt­part­ner aus ver­schie­de­nen Grün­den zeit­wei­se nicht über genü­gend Medi­ka­men­te ver­füg­ten. Hel­fer vor Ort baten hän­de­rin­gend um finan­zi­el­le Unter­stüt­zung, damit die Behand­lung Schwer­kran­ker fort­ge­setzt wer­den konnte.

Wir muss­ten fest­stel­len, dass es Behand­lungs­ab­brü­che aus finan­zi­el­ler Not gibt. Ört­li­che Apo­the­ken ver­fü­gen zwar über geeig­ne­te Medi­ka­men­te, doch sind die­se für die Pati­en­ten in der Regel nicht bezahl­bar. Wir konn­ten akut aus­hel­fen, waren aber sehr erschüt­tert dar­über, wie groß die Not ist. Wir haben uns dafür ein­ge­setzt, dass grö­ße­re Vor­rä­te für sol­che Kri­sen­zei­ten geschaf­fen wer­den. Unse­re Stif­tung wird dafür wei­ter finan­zi­el­le Unter­stüt­zung leisten.

Ermu­ti­gen und sicht­bar wer­den: Selbst­hil­fe­grup­pe für Men­schen mit psy­chi­schen Erkrankungen

Sehr gefreut haben wir uns über einen Besuch in Bro­bo nahe Bouaké, wo sich eine seit einem Jahr bestehen­de Selbst­hil­fe­grup­pe von Pati­en­ten mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen ein­mal monat­lich trifft. Eini­ge Ange­hö­ri­ge beglei­te­ten die Pati­en­ten und es fand ein reger Aus­tausch statt. Die Grup­pe dient dazu, dass die Pati­en­ten sich gegen­sei­tig unter­stüt­zen und ihrer Dis­kri­mi­nie­rung ent­ge­gen­wir­ken. Die­se Grup­pe wird von unse­ren Part­nern unter­stützt und beglei­tet. Der­ar­ti­ge Selbst­hil­fe­grup­pen sind an meh­re­ren Orten geplant. Auch die WHO emp­fiehlt die Bil­dung die­ser Grup­pen, um die gesell­schaft­li­che Posi­ti­on der Betrof­fe­nen und der Ange­hö­ri­gen zu stärken.

Wei­ter­ent­wick­lung in der Elfen­bein­küs­te: Wach­sen­de Sen­si­bi­li­sie­rung für psy­chi­sche Gesund­heit in der Bevölkerung

Inzwi­schen hat unse­re ivo­ri­sche Part­ner- NGO Mind­ful Chan­ge-CI bei den poli­ti­schen Stel­len einen gewis­sen Bekannt­heits­grad erreicht. Pro­fes­sor Koua wur­de 2022 staat­li­cher­seits zum koor­di­nie­ren­den Direk­tor des „Natio­na­len Pro­gramms für Psy­chi­sche Gesund­heit“ in der Côte d’Ivoire ernannt. Sei­ne Insti­tu­ti­on ist jedoch bis­lang finan­zi­ell schwach ausgestattet.

In Abidjan konn­ten wir aber an einer viel­be­ach­te­ten Kon­fe­renz mit Regie­rungs­ver­tre­tern, Ver­tre­tern der WHO und „Ärz­te ohne Gren­zen“ teil­neh­men. Dort wur­den ers­te Schrit­te für den Zugang von Frau­en und Müt­tern mit psy­chi­schen Pro­ble­men zu einer kom­pe­ten­ten psych­ia­tri­schen Ver­sor­gung geplant, und um finan­zi­el­le Unter­stüt­zung gebe­ten. Es besteht begrün­de­te Hoff­nung, dass der Staat sich durch die­se wich­ti­ge Arbeit unse­rer Pro­jekt­part­ner zuneh­mend sei­ner Ver­ant­wor­tung für Men­schen mit psy­chi­schen Pro­ble­men bewusst wird.

Ins­ge­samt waren wir beein­druckt von dem Enga­ge­ment des ivo­ri­schen Pro­jekt­teams. Zwar funk­tio­niert nicht alles so, wie wir es uns vor­stel­len, aber der Spi­rit, etwas für die­se bis­her unbe­ach­te­te, gesell­schaft­lich aus­ge­schlos­se­ne und stig­ma­ti­sier­te Grup­pe von Pati­en­ten errei­chen zu wol­len, war deut­lich spür­bar. Wir sahen einen leben­di­gen Aus­tausch der oft noch jun­gen Mit­ar­bei­ter und Mit­ar­bei­te­rin­nen, die noch viel vor­ha­ben, um die Inte­gra­ti­on psy­chi­scher Gesund­heit in der lan­des­wei­ten Grund­ver­sor­gung vor­an­zu­brin­gen. Erwäh­nens­wert ist auch, dass der Psych­ia­ter Dr. Djo Bi Djo, Koor­di­na­tor der medi­zi­ni­schen Akti­vi­tä­ten von SAMENTACOM, bereits in das Nach­bar­land Mali ein­ge­la­den wur­de, um das Pro­jekt dort vor­zu­stel­len und den Beginn einer sozi­al­psych­ia­tri­schen Ver­sor­gung in Mali zu initiieren.

Wir freu­en, mit Ihrer Hil­fe unser Part­ner- Team in die­se Arbeit für Men­schen mit Epi­lep­sie und psy­chi­schen Erkran­kun­gen wei­ter zu unter­stüt­zen und dan­ken Ihnen sehr herz­lich für die bereits emp­fan­ge­nen Spenden!

Dr. Gesi­ne Heet­der­ks
Ärz­tin für Neu­ro­lo­gie und Psych­ia­trie / Psychotherapie

Dr. Farie­deh Hup­pertz
Ärz­tin für Psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Medizin

Geschäfts­be­richt 2020–2021

Hier fin­den Sie den Geschäfts­be­richt 2020–2021 der Mind­ful Chan­ge Foun­da­ti­on.

Bericht über unse­re Rei­se in die Elfen­bein­küs­te im Juni 2022 und den Stand des Pro­jekts SAMENTACOM

Wir möch­ten Euch von unse­rer Rei­se in die Elfen­bein­küs­te im Juni 2022 berich­ten und euch über den Stand des Pro­jek­tes SAMENTACOM (San­té men­ta­le com­mu­n­au­taire – Gemein­de­ba­sier­te psy­chi­sche Gesund­heit) infor­mie­ren, das unse­re Stif­tung mit Eurer Hil­fe finan­ziert und fach­lich berät.

Die Situa­ti­on der Men­schen mit einer chro­ni­schen psy­chi­schen Erkran­kung oder Epi­lep­sie ist in West­afri­ka wei­ter­hin alar­mie­rend. Bis­lang wer­den die meis­ten Erkrank­ten in soge­nann­ten Gebets­camps auf­ge­nom­men, in denen sie kei­ner­lei medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung erhal­ten. Sie wer­den dort mit Gebe­ten und tra­di­tio­nel­len Metho­den wie z. B. zwangs­wei­se Fas­ten, Waschun­gen oder Mix­tu­ren, die sie zum Erbre­chen brin­gen, behan­delt. Etli­che Betrof­fe­ne, ob jün­ger oder älter, Frau oder Mann, wer­den ange­ket­tet, eini­ge über Jah­re bei aus­blei­ben­dem Erfolg der tra­di­tio­nel­len Heilungsversuche.

Das Pilot­pro­jekt SAMENTACOM für gemein­de­ba­sier­te ambu­lan­te psych­ia­tri­sche Behandlung

Das Modell­pro­jekt SAMENTACOM wird von Prof. Médard Asse­man Koua, einem ivo­ri­schen Psych­ia­trie­pro­fes­sor von der Uni­ver­si­tät in Bouaké, gelei­tet. Es setzt sich zum Ziel, in den Ein­zugs­ge­bie­ten von mehr als zehn Gesund­heits­zen­tren des Lan­des modell­haft eine gemein­de­na­he psych­ia­tri­sche Ver­sor­gung auf­zu­bau­en. In den Gesund­heits­zen­tren wer­den die wich­tigs­ten orga­ni­schen Erkran­kun­gen behan­delt. Aber es gibt dort kei­ne Behand­lung psy­chi­scher Erkran­kun­gen. Im Rah­men des Pro­jekts wur­den Kran­ken­pfle­ger und –pfle­ge­rin­nen sowie Gesund­heits­hel­fer und ‑hel­fe­rin­nen (Agents de San­té) vom SAMEN­TA­COM-Team aus­ge­bil­det. Die kom­pri­mier­te Grund­aus­bil­dung in Dia­gnos­tik und The­ra­pie umfasst die häu­figs­ten psych­ia­trisch-neu­ro­lo­gi­schen Krank­heits­bil­der. Die Aus­bil­dung ist so kon­zi­piert, dass mit mög­lichst gerin­gem Auf­wand maxi­mal vie­le Men­schen behan­delt wer­den kön­nen – ein wich­ti­ges Prin­zip in Län­dern des Glo­ba­len Südens. Nach der Grund­aus­bil­dung bie­ten die geschul­ten Pfle­ge­kräf­te im Gesund­heits­zen­trum Sprech­stun­den für Men­schen mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen und Epi­lep­sie an.

Ohne Außen­ein­sät­ze auf dem Land wer­den die erkrank­ten Men­schen nicht gefunden

Wesent­lich für das Gelin­gen des Pro­jekts ist das akti­ve Auf­su­chen der Pati­en­ten im Umland. So fah­ren die Gesund­heits­hel­fer und –hel­fe­rin­nen z.B. auf Motor­rä­dern in die Dör­fer und Gebets­camps, um psy­chisch kran­ke oder an Epi­lep­sie erkrank­te Men­schen zu fin­den. Oft erst durch die­sen akti­ven Ein­satz kön­nen die Betrof­fe­nen einer psych­ia­trisch-neu­ro­lo­gi­schen Behand­lung zuge­führt wer­den. Die Sprech­stun­den schlie­ßen in der Regel die Ange­hö­ri­gen mit ein.

Wie­der­se­hen nach zwei Jah­ren — das Netz­werk für sozi­al­psych­ia­tri­sche Arbeit wächst

Wegen der Covid-Pan­de­mie konn­ten wir zwei Jah­re nicht vor Ort sein. Umso erfreu­li­cher war es für uns zu sehen, dass sich SAMENTACOM in der Zwi­schen­zeit wei­ter­ent­wi­ckelt hat. Die Über­zeu­gung, dass psy­chisch kran­ke Men­schen und Men­schen mit Epi­lep­sie Hil­fe bekom­men müs­sen, hat sich inzwi­schen auch bei den offi­zi­el­len Stel­len durch­ge­setzt, die wir besucht haben. Davon konn­ten wir uns im Gespräch mit der Gesund­heits­di­rek­to­rin des Krei­ses Bouaké, in dem das Pro­jekt begann, über­zeu­gen. Sie war sehr zuge­wandt und sag­te uns, dass sie erst durch die Infor­ma­tio­nen von SAMENTACOM und von des­sen Initia­tor Prof. Koua von den Miss­stän­den und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen erfah­ren habe, denen die Kran­ken aus­ge­setzt sind. Das habe sie sehr erschüt­tert. Anwe­send war bei die­sem Gespräch auch der ört­li­che Ver­tre­ter der WHO.

Span­nungs­feld bei begrenz­ten Res­sour­cen:  Zwi­schen Öffent­lich­keits­ar­beit und Netz­wer­ken und Behand­lungs­qua­li­tät vor Ort

Die psych­ia­trisch aus­ge­bil­de­ten Pfle­ge­kräf­te der Gesund­heits­zen­tren wer­den vom SAMEN­TA­COM-Team aktu­ell vier bis sechs­mal im Jahr vor Ort bera­ten und in gemein­sa­men Sprech­stun­den super­vi­diert und fort­ge­bil­det. Hin­zu kom­men häu­fi­ge Tele­fo­na­te mit Pro­fes­sor Koua und sei­nem Team. Dem regel­mä­ßi­gen Aus­tausch zwi­schen den Pfle­ge­kräf­ten und den Psych­ia­te­rin­nen und Psych­ia­tern des SAMEN­TA­COM-Teams kommt gro­ße prak­ti­sche Bedeu­tung zu. Er ist auf Grund des Man­gels an Super­vi­so­ren, der Infra­struk­tur und der Kos­ten gleich­zei­tig der schwie­rigs­te Teil des Pro­jekts. Wir set­zen uns sehr für einen Aus­bau die­ser Tätig­keit ein.

Neben die­ser sozi­al­psych­ia­tri­schen Arbeit ver­net­zen sich Pro­fes­sor Koua und sei­ne Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen seit Jah­ren in Bouaké und der gan­zen Elfen­bein­küs­te mit Ärz­tin­nen und Ärz­ten, Ver­tre­tern des staat­li­chen Gesund­heits- und Sozi­al­we­sens, Men­schen­rechts- und Kir­chen­grup­pen und ande­ren NGOs, die für ver­wand­te Zie­le arbeiten.

Fach­tag der Gesund­heits­zen­tren, die von SAMENTACOM betreut wer­den: Syn­er­gien, Schwach­stel­len und Erfol­ge im Aus­tausch untereinander

Wäh­rend unse­res Besu­ches hat­ten unse­re Part­ner mit Unter­stüt­zung des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums eine Tagung in Bouaké organisiert.

Es wur­de über die prak­ti­sche Arbeit in den von SAMENTACOM betreu­ten Gesund­heits­zen­tren berich­tet und über Her­aus­for­de­run­gen und Per­spek­ti­ven dis­ku­tiert. Anwe­send waren auch Ver­tre­ter und Ver­tre­te­rin­nen der Regio­nal­ver­wal­tung, der Gesund­heits­be­hör­de sowie der ärzt­li­che Ver­tre­ter der WHO. Auch zwei Exper­tin­nen von ivo­ri­schen NGOs infor­mier­ten über ihre men­schen­recht­li­che Arbeit und Erfahrung. 

An die­ser Tagung nahm auch der Reprä­sen­tant von Ärz­te ohne Gren­zen (Méde­cins Sans Fron­tiè­res) in Bouaké teil. Er war durch SAMENTACOM auf die gemein­de­psych­ia­tri­sche Arbeit auf­merk­sam gewor­den und hat­te die­ses über­zeu­gend gefun­den. Ärz­te ohne Gren­zen stellt nun als zwei­te Orga­ni­sa­ti­on neben MCF-Deutsch­land finan­zi­el­le und per­so­nel­le Hil­fen zur Ver­fü­gung. Sie­ben zusätz­li­che Gesund­heits­zen­tren behan­deln nun Men­schen mit psy­chi­schen oder epi­lep­ti­schen Erkran­kun­gen, wur­den von Pro­fes­sor Kouas SAMEN­TA­COM-Team aus­ge­bil­det und fach­lich betreut, wäh­rend Ärz­te ohne Gren­zen die Finan­zie­rung übernimmt.

Auch zwei Jour­na­lis­ten eines neu gegrün­de­ten, auf Gesund­heits­the­men spe­zia­li­sier­ten Inter­net-Sen­ders nah­men an der Tagung teil, mach­ten Inter­views und sam­mel­ten State­ments, um die­se zu verbreiten.

Netz­werk­ar­beit für das Recht auf Medi­ka­men­te und Versorgung

Wir konn­ten uns davon über­zeu­gen, wie sehr sich unse­re Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on dabei enga­giert, die Not der Men­schen mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen in der Öffent­lich­keit sicht­bar zu machen und dabei auch den Staat in die Pflicht zu nehmen.

Ein ers­ter gefor­der­ter Schritt ist die kos­ten­lo­se Abga­be der nöti­gen Medi­ka­men­te für psy­chisch kran­ke Men­schen, ana­log der bestehen­den kos­ten­lo­sen Abga­be von AIDS-Medi­ka­men­ten. Denn die Armut der Men­schen führt immer wie­der zu Behandlungsabbrüchen. 

Erfreu­lich ist es und zugleich ein gro­ßer Fort­schritt, dass unse­re Part­ner es inzwi­schen geschafft haben, mit Hil­fe der deut­schen Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on MEDEOR und der staat­li­chen Stel­le für den Ein­kauf und die Ver­tei­lung von Medi­ka­men­ten (NPSP) aus­rei­chend Medi­ka­men­te ein­kau­fen zu kön­nen. So kommt es nicht mehr zu Unter­bre­chun­gen bei der Ver­sor­gung mit Medi­ka­men­ten, wie es frü­her immer wie­der der Fall gewe­sen ist.

Unter­wegs: Das Gesund­heits­zen­trum Brobo

In einem Distrikt in der Nähe von Bouaké, der die Stadt Bro­bo und 64 Dör­fer umfasst, arbei­ten im Gesund­heits­zen­trum ein für die psych­ia­tri­schen Sprech­stun­den zustän­di­ger Pfle­ger und zwei Gesund­heits­hel­fer (Agents de San­té). Sie ver­sor­gen in ihrem Ein­zugs­ge­biet die Men­schen mit psy­chi­scher Erkran­kung oder Epi­lep­sie. Wir fuh­ren mit auf die Dör­fer, besuch­ten Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit psy­cho­ti­schen oder ande­ren Erkran­kun­gen, die unter regel­mä­ßi­ger Medi­ka­ti­on wie­der im Kreis ihrer Fami­lie oder Bekann­ten leben. Durch eige­ne Arbeit kön­nen sie nun für sich sor­gen oder das Fami­li­en­ein­kom­men unterstützen.

Wir sahen aber auch eini­ge kran­ke Men­schen, die auf­grund finan­zi­el­ler Schwie­rig­kei­ten nicht wei­ter­be­han­delt wur­den und nun ein sehr iso­lier­tes, ärm­li­ches Leben in einer Hüt­te des Dor­fes führ­ten. Hat­ten ihre Ange­hö­ri­gen aus nicht ein­deu­ti­gen Grün­den nicht mehr für die Medi­ka­men­te gezahlt, wur­de die Been­di­gung der Medi­ka­men­ten­ab­ga­be von man­chen Mit­ar­bei­tern der Gesund­heits­zen­tren als gerecht und logi­sche Fol­ge emp­fun­den. Hier sind Pro­fes­sor Koua und wir uns aber einig, dass das nicht im Sin­ne des Pro­jekts ist. Wir stel­len in sol­chen Fäl­len die Medi­ka­men­te auch kos­ten­los zur Ver­fü­gung. Sie sind eigent­lich preis­wert und auch für ärme­re Fami­li­en bezahl­bar. Es ist sehr schwer, zu beur­tei­len, wann eine Zah­lung wirk­lich nicht mehr mög­lich ist und wann es eine Fra­ge der Moti­va­ti­on ist, vor allem bei lang­fris­ti­gen Behandlungen.

Bei unse­rem Besuch erzähl­ten man­che Ange­hö­ri­gen, dass in die­ser Gegend die Ern­ten wegen Regen­man­gel durch den Kli­ma­wan­del immer schlech­ter wur­den – sicher ein Pro­blem, das auch künf­tig eine Rol­le spie­len wird.

Wir begeg­ne­ten auch Ange­hö­ri­gen, deren Mit­ge­fühl und Für­sor­ge für ihre kran­ken Ver­wand­ten sehr begrenzt war. Man habe selbst oft nicht genug zum Essen, sag­ten sie uns. Wenn etwas übrig sei, gebe man es den Kran­ken, sonst nicht.

In einem der Dör­fer zeig­ten uns die Gesund­heits­hel­fer in einer Hüt­te ein aus­ge­mer­gel­tes 14-jäh­ri­ges Mäd­chen, kaum ansprech­bar, das aus­sah wie eine Sechs­jäh­ri­ge. Der Vater sei Alko­ho­li­ker und küm­me­re sich nicht, die Mut­ter sei geflüch­tet. Das Kind wies auf­grund einer Epi­lep­sie gra­vie­rends­te Ent­wick­lungs­rück­stän­de auf. Hier konn­te SAMENTACOM hel­fen, das Kind einer Behand­lung und einer vor­läu­fi­gen Pfle­ge­fa­mi­lie zuzuführen.

An die­sem Tag wur­den wir beglei­tet von der tat­kräf­ti­gen Sozi­al­ar­bei­te­rin des Gesund­heits­zen­trums Bro­bo, die zustän­dig für die­sen weit­läu­fi­gen länd­li­chen Distrikt ist. Sie klag­te, dass sie die Armut und die Not der Men­schen sehe, sie auch auf­su­che, aber dass sie über kei­ner­lei staat­li­ches Bud­get ver­fü­ge. Sie kön­ne nur mit den Men­schen reden, reden, reden und ver­su­chen, Kon­flik­te zu bespre­chen, Ange­hö­ri­ge zu moti­vie­ren, sich zu küm­mern. Aber damit sei­en ihre Mög­lich­kei­ten auch erschöpft – das mache ihre Arbeit so schwer.

Wir nah­men in zwei Dör­fern, in denen Men­schen mit psy­chi­scher oder epi­lep­ti­scher Erkran­kung leb­ten, an Dorf­ver­samm­lun­gen teil. Die Gesund­heits­hel­fer klär­ten die Ver­sam­mel­ten über die psy­chi­schen Erkran­kun­gen auf, es konn­ten Fra­gen gestellt oder über Beob­ach­tun­gen berich­tet wer­den. Zwar herrscht immer noch die tra­di­tio­nel­le Vor­stel­lung vor, dass ein psy­chisch kran­ker Mensch von einem bösen Geist beses­sen ist. Aber es wächst doch auch das Inter­es­se an den Hilfs­mög­lich­kei­ten der moder­nen Medi­zin, ins­be­son­de­re wenn Men­schen die Erfah­rung machen, dass sie hilf­reich ist.

Besuch im Gebets­camp Bethel

ir besuch­ten ein Gebets­camp im Ein­zugs­ge­biet des Gesund­heits­zen­trums Bro­bo, das neben ande­ren Kran­ken auch 11 Frau­en und Män­ner mit psy­chi­scher Krank­heit oder Epi­lep­sie beher­berg­te. Der evan­ge­li­ka­le Lei­ter, der sich als Pro­phet Jere­miah vor­stell­te, emp­fing uns in der über­dach­ten Gebets­hal­le. Wir durf­ten uns als Grup­pe in sei­ner Beglei­tung im Camp umse­hen. Die Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen schlie­fen auf dem Fuß­bo­den in klei­nen, nicht aus­ge­stat­te­ten Hütten.

Wir sahen fünf ange­ket­te­te Men­schen: ein wütend ges­ti­ku­lie­ren­der, schrei­en­der Mann, dem sich nie­mand näher­te; ein apa­thisch wir­ken­der jun­ger Mann mit Ver­dacht auf Epi­lep­sie; eine jun­ge Frau; ein mit sich spre­chen­der, manie­riert ges­ti­ku­lie­ren­der jun­ger Mann und ein Sieb­zehn­jäh­ri­ger, der in schlech­tem All­ge­mein­zu­stand in der Hüt­te lag. Er hat­te sei­ne Vor­be­rei­tung für die Abschluss­prü­fung der Schu­le wegen der Erkran­kung unter­bro­chen. Sei­ne Eltern hat­ten ihn aus Not in das Gebets­camp gebracht, so wie die meis­ten Kran­ken von ihren eige­nen Fami­li­en in der Hoff­nung auf Hei­lung dort­hin gebracht wer­den. Pro­fes­sor Koua bat Jere­miah, die Ange­ket­te­ten kos­ten­los in sei­ner nahe­ge­le­ge­nen Ambu­lanz unter­su­chen zu dür­fen. Die­ser ant­wor­te­te, er sei prin­zi­pi­ell zur Koope­ra­ti­on bereit, müs­se jedoch zuvor die Ange­hö­ri­gen fra­gen. Auch war der Lei­ter durch ande­re Anwe­sen­de infor­miert, dass das Gefan­gen­hal­ten im Gebets­camp nicht geset­zes­kon­form ist und ihm Pro­ble­me berei­ten kön­ne. Am nächs­ten Tag wur­de uns auf Anfra­ge mit­ge­teilt, dass die Ange­hö­ri­gen ihre Zustim­mung ver­wei­gert hät­ten. Die Mit­ar­bei­ter von SAMENTACOM wer­den sich mit die­ser Ant­wort nicht zufrie­den­ge­ben und wei­ter ver­su­chen, den Lei­ter des Camps zu einer wirk­li­chen Koope­ra­ti­on zu bewe­gen. Das könn­te ein lan­ger Weg sein.

Der Lei­ter des Gebets­camps erzähl­te uns, es gebe Men­schen, die sei­en psy­chisch krank, ande­re sei­en von bösen Geis­tern beses­sen. Auf die Fra­ge, wie er das unter­schei­den kön­ne, berief Jere­miah sich auf sei­ne von Gott geschenk­te Gabe. Er wis­se den Unter­schied ein­fach. In uns sträub­te sich etwas ange­sichts die­ser Selbst­ge­wiss­heit. Aber Prof. Koua blieb gedul­dig und erklär­te ihm, dass sei­ne eige­nen Augen und die Augen des Pro­phe­ten die Din­ge unter­schied­lich sehen.

Es gibt in der Elfen­bein­küs­te vie­le Gebets­camps. Sie sind nir­gends regis­triert und brau­chen kei­ne for­ma­le Erlaub­nis, um Men­schen zu behan­deln. Im Prin­zip kann jeder ein Gebets­camp grün­den. Für die Ange­hö­ri­gen, die sich durch die Krank­heit ihrer Fami­li­en­mit­glie­der über­for­dert füh­len, ist ein Gebets­camp der nahe lie­gen­de Ausweg.

Will man sich einen Über­blick dar­über ver­schaf­fen, wo und wie in der Elfen­bein­küs­te psy­chisch kran­ke Men­schen leben, müs­sen die Gebets­camps erfasst wer­den. In einer von unse­rer Stif­tung finan­zier­ten Unter­su­chung wur­den 2021 im gan­zen Land 550 Gebets­camps gefun­den, in denen sich psy­chisch kran­ke Men­schen auf­hal­ten. Die Gebets­camps wer­den viel­fach von christ­lich-evan­ge­li­ka­len, aber auch mus­li­mi­schen oder natur­re­li­giö­sen Hei­lern gelei­tet. Wir gehen davon aus, dass es in der Elfen­bein­küs­te noch viel mehr als die genann­ten Gebets­camps gibt als jene, die in der Unter­su­chung gefun­den wurden.

Besuch der Psych­ia­tri­schen Uni­ver­si­täts­kli­nik Bouaké

Wir besuch­ten auch die psych­ia­tri­sche Abtei­lung der Uni­ver­si­täts­kli­nik in Bouaké. Die Kli­nik dient für das Pro­jekt SAMENTACOM als Ergän­zung der ambu­lan­ten Ver­sor­gung in sel­te­nen Fäl­len. Die Aus­stat­tung ist extrem ein­fach, dabei sau­ber. Hier wer­den maxi­mal 20 Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten behan­delt, bei denen eine ambu­lan­te Behand­lung nicht aus­reicht. Die Behand­lungs­zei­ten sind mög­lichst kurz und soll­ten laut Prof. Koua acht Tage nicht überschreiten.

Wäh­rend der Behand­lung wird auf aus­rei­chen­de Ernäh­rung und Hygie­ne geach­tet. Eine freund­li­che Köchin kocht für die Pati­en­ten, damit sie auch kör­per­lich in einer guten Ver­fas­sung sind. 

Die sani­tä­ren Ein­rich­tun­gen, maro­den Elek­tro­lei­tun­gen und Außen­wän­de wur­den reno­viert. Unse­re Stif­tung hat­te die Reno­vie­rung über eine Son­der­spen­de finanziert.

Lie­be Freun­din­nen und Freun­de unse­res Pro­jekts! Eini­ge von euch hat­ten für die Reno­vie­rung der damals her­un­ter­ge­kom­me­nen psych­ia­tri­schen Kli­nik gespendet.

Wir dan­ken allen Spen­de­rin­nen und Spen­dern noch­mals sehr herz­lich für die­se Hilfe!

Res­u­mée

Wir sind mit vie­len und rei­chen Ein­drü­cken von unse­rer Rei­se zurück­ge­kom­men. Will man ein Resü­mee zie­hen, dann sind es vor allem die­se Her­aus­for­de­run­gen, die wir für die Zukunft sehen:

Allen Freun­din­nen und Freun­den unse­res Pro­jekts noch ein­mal einen herz­li­chen Dank für euer Inter­es­se, eure Spen­den und Unter­stüt­zung auf dem Weg!

Dr. Gesi­ne Heet­der­ks und Dr. Farie­deh Huppertz

Neu ver­öf­fent­lich­te Stu­die in Zusam­men­ar­beit mit MCF unter­sucht die Situa­ti­on von Men­schen mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen in der Elfenbeinküste

Die Unter­su­chung zeigt auf, wo psy­chisch Erkrank­te in der Elfen­bein­küs­te zu fin­den sind und bie­tet eine wich­ti­ge Grund­la­ge für die Erar­bei­tung einer umfas­sen­den Gesund­heits­ver­sor­gung und für ein stär­ke­res Enga­ge­ment für die Rech­te der Betroffenen

Link zur Studie


Die am 24. Novem­ber 2021 ver­öf­fent­lich­te wis­sen­schaft­li­che Stu­die mit dem Titel “Sur­vey of non-con­ven­tio­nal men­tal health care faci­li­ties in Côte d’Ivoire: first sta­ge” zeigt auf, wo sich Patient:innen mit psy­chi­schen und epi­lep­ti­schen Erkran­kun­gen sowie psy­cho­so­zia­len Behin­de­run­gen in der Elfen­bein­küs­te (und ver­mut­lich auch in ande­ren Kän­dern West­afri­kas) tat­säch­lich befinden. 

Die Unter­su­chung ist damit eine wich­ti­ge Grund­la­ge für die Ent­wick­lung einer rea­lis­ti­schen und finan­zier­ba­ren psych­ia­tri­schen Versorgung. 

Der Arti­kel lie­fert eine Typo­lo­gie von vier Arten nicht-kon­ven­tio­nel­ler psych­ia­tri­scher Ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen in Côte d’I­voi­re, dar­un­ter christ­li­che ‘Pray­er Camps’, tra­di­tio­nel­le Heil­zen­tren, Phy­to­the­ra­pie­zen­tren und Roqya-Zen­tren. Unter­sucht wur­den ihre admi­nis­tra­ti­ve Ver­an­ke­rung, die Qua­li­fi­ka­ti­on der Ein­rich­tungs­lei­ter sowie ihre grund­sätz­li­che Bereit­schaft zur Zusam­men­ar­beit mit kon­ven­tio­nel­len psy­cho­so­zia­len Ver­sor­gungs­zen­tren. Die 541 Zen­tren, die in die Unter­su­chung ein­be­zo­gen wur­den, sind weder staat­lich regis­triert oder zuge­las­sen noch wer­den sie in irgend­ei­ner Wei­se kon­trol­liert, aber eine beträcht­li­che Anzahl der nicht-kon­ven­tio­nel­len Ein­rich­tun­gen äußer­te den Wunsch oder die Bereit­schaft zur Zusam­men­ar­beit mit psych­ia­tri­schen Einrichtungen.

In einer zwei­ten Pha­se will MCF mit den Kolleg:innen in der Elfen­bein­kü­te genau­er unter­su­chen, was in die­sen Camps geschieht und eine Koope­ra­ti­on mit eini­gen die­ser nicht-kon­ven­tio­nel­len Zen­tren star­ten und evaluieren. 

Die Unter­su­chun­gen wer­den über eine Son­der­spen­de finan­ziert. MCF wird einen Antrag bei einer Unter­or­ga­ni­sa­ti­on der GIZ (Gesell­schaft für Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit) stel­len, bei der MCF inzwi­schen akkre­di­tiert ist.


Link zum Artikel:

https://ijmhs.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13033-021–00506‑7


Koua, A.M., Djo Bi Djo, F., Koua­dio, R.N. et al. Sur­vey of non-con­ven­tio­nal men­tal health care faci­li­ties in Côte d’Ivoire: first sta­ge. Int J Ment Health Syst 15, 83 (2021). https://doi.org/10.1186/s13033-021–00506‑7

News: Fort­schrit­te in der digi­ta­len Ver­net­zung der Ehren­amt­li­chen des Yen­faa­bi­ma Projekts

Ehren­amt­li­che Mitarbeiter:innen erhal­ten Smart­pho­nes, um bes­se­re Kom­mu­ni­ka­ti­on und Zusam­men­ar­beit zu ermöglichen


Am 24. Okto­ber 2021 schrieb Timo­thée Tinda­no, psych­ia­tri­scher Kran­ken­pfle­ger und Voll­zeit-Mit­ar­bei­ter bei Yen­faa­bi­ma in Pié­la, Bur­ki­na Faso:

„Hier­mit tei­le ich euch mit, dass wir die Han­dys, die Power­banks und den Lap­top gekauft haben. Die Ehren­amt­li­chen, für die die Gerä­te bestimmt sind, hat­ten zuvor nie ein Smart­pho­ne benutzt. Des­halb haben wir mit der Über­ga­be an die Ehren­amt­li­chen eine klei­ne Ein­füh­rung zu deren Benut­zung ver­bun­den. Wir haben den Zweck erklärt und kla­re Anwei­sun­gen zum Gebrauch gege­ben. Eine eige­ne Nach­rich­ten-Grup­pe wur­de ein­ge­rich­tet, um Infor­ma­tio­nen über Haus­be­su­che auszutauschen.“

Ein wich­ti­ger Sinn der Ver­net­zung durch Smart­pho­nes liegt dar­in, dass sich die Ehren­amt­li­chen zum Teil in für sie nicht ganz siche­ren Gebie­ten bewe­gen. Die Han­dys ermög­li­chen ihnen eine bes­se­re Ver­net­zung mit Timo­thee Tinda­no, der sie in schwie­ri­gen Situa­tio­nen bera­ten kann.