Am 13.01.2025 ist ein Artikel unseres 1. Vorstandes Michael Huppertz zur Kritik an der Global Mental Health Bewegung erschienen (open access).
Huppertz M. (2025). A response to criticism of the global mental health movement. How polarization can be overcome in theory and in west African social psychiatric practice. Global mental health (Cambridge, England), 11, e135.
Er handelt von der vehementen Kritik an der Ausweitung der “westlichen” Psychiatrie in den Globalen Süden, dem Vorwurf des Kolonialismus, vom Nutzen des medizinischen Modells, dem Dialog zwischen Kulturen und ähnlichen Unterthemen, stellt aber auch unser Projekt in der Elfenbeinküste vor. Er versucht, aus der Kontroverse eine konstruktive pluralistische Sichtweise zu entwickeln.
Timothée Tindando, dessen Arbeit als Pfleger MCF mitfinanziert, schickt MCF monatliche Berichte über die Zahl und die Diagnosen der behandelten Patient:innen mit einem anschließenden Kommentar zu den Schwierigkeiten und Erfolgen.
Hier finden Sie die aktuellen Fallberichte als pdf-Datei mit Fotos zum Download und auf der Yenfaabima Website mehr zur aktuellen Arbeit in Piéla.
Zwei Kommentare von Juli und August 2024
„Im Laufe des Monats Juli gab es viele Sorgen für unsere Freiwilligen, die sich in den von Terroristen heimgesuchten Gebieten aufhalten, und vor allem für unsere Kranken, die sowohl um ihr Überleben als auch um die Fortsetzung der Besuche in Yenfaabima kämpfen, da die Zugangswege fast unpassierbar sind. Wir bedauern, dass die Terroristen in diesem Zusammenhang drei unserer Kranken ermordet haben. Die Handys unserer Helfer sind größtenteils unbrauchbar. In einigen Gebieten, die als zu gefährlich eingestuft wurden, haben wir die Nutzung der von MCF erworbenen Motorräder vorübergehend ausgesetzt, um ihre Sicherheit zu gewährleisten und auf eine bessere Situation zu warten, um sie wieder für Hausbesuche einsetzen zu können. Wir haben auch Aufklärungsfahrten zu Kirchen durchgeführt.“
„Abgesehen von der Hungersnot im Monat August, die viele unserer Patienten aufgrund des aktuellen Sicherheitsproblems verspüren, haben wir keine großen Sorgen. Es gelingt uns, die Behandlung der Kranken mit Medikamenten fortzusetzen, insbesondere mit Neuroleptika, die größtenteils vor Ort in Piéla in einer Privatapotheke erhältlich sind. Unser Zentrum ist gut gesichert, da wir von einer ständigen Bewachung der Gemeinde durch die Ordnungskräfte profitieren, die mehr als 800 m hinter Yenfaabima stationiert sind.”
Fallbeispiele
Darüber hinaus lassen uns die Mitarbeiter:innen anhand von Fallberichten an der Arbeit von Yenfaabima teilhaben.
Leider mussten wir auch erfahren, dass drei Patienten von Yenfaabima von Terroristen getötet wurden, wie auch ein Mitarbeiter, als er einen Patienten aufsuchen wollte.
Februar 2024
Frau L M wurde von einem Freiwilligen in ihrer Wohnung in Piéla besucht. Die Patientin hatte sich nach ihrem letzten Besuch in Yenfaabima vor vier Monaten geweigert, zu einem weiteren Termin zu kommen. Ihre Mutter kam zu uns und bat uns, bei ihr vorbeizukommen, um sie zu überzeugen, ihre Behandlung fortzusetzen. Der Freiwillige stellte fest, dass es der Patientin physisch und psychisch nicht gut ging, da sie körperlich abgenommen hatte und psychisch auffällig war. Sie redete sehr viel und sprach Beleidigungen aus, alles in zusammenhanglosen Worten. Der Freiwillige überzeugte die Eltern, dass die Patientin aufgrund ihres Allgemeinzustandes zunächst im medizinischen Zentrum mit chirurgischer Zweigstelle in Piéla untersucht werden müsse, bevor sie zur psychiatrischen Behandlung nach Yenfaabima kommen sollte. Zwei Tage später wurde sie in das Krankenhaus eingewiesen. Die Diagnose lautete Typhus und Malaria. Während ihres Krankenhausaufenthalts wurde der Pfleger von Yenfaabima in das medizinische Zentrum gerufen, um die Patientin psychiatrisch zu untersuchen. Die Patientin wurde gut behandelt und nach zwei Wochen Krankenhausaufenthalt entlassen.
März 2024
MRLD wohnt in Darongou. Er wurde am 16. März 2024 von einem Team unter der Leitung des Gesundheitshelfers besucht. LD wurde vor ca. 2 Jahren in Yenfaabima wegen paranoider Schizophrenie behandelt. Seit über 6 Monaten ist er nicht mehr gekommen. Dies führte zu diesem Besuch, der ursprünglich in seinem Haus geplant war, aber zur allgemeinen Überraschung war der Patient zum Zeitpunkt des Besuchs in seinem Garten, etwa einen Kilometer von seinem Haus entfernt. Sein älterer Bruder erzählte uns, dass er sich oft seltsam verhalte, was ihn aber nicht daran hindere, seine Tätigkeiten, insbesondere die Gartenarbeit, zu verrichten. Der Gesundheitshelfer riet ihm, wieder zu Konsultationen nach Yenfaabima zu kommen, was der Patient und seine ganze Familie akzeptierten. In seinem Garten wuchsen Mais, Zwiebeln und Tomaten.
April 2024
In Dabilgou wurde ein Hausbesuch bei einer über 70-jährigen Patientin durchgeführt. Ihr Name ist M.K. Sie wird seit mehreren Jahren wegen einer chronisch halluzinatorischen Psychose im Aufnahmezentrum Yenfaabima betreut. Bei einem Hausbesuch stellte der Gesundheitshelfer fest, dass sie lange schmutzige Fingernägel hatte und wenig Körperhygiene. Sie war psychisch nicht stabil und hatte Halluzinationen. Sie hatte ihre Medikamente seit etwa einem Monat nicht mehr eingenommen. Der Gesundheitshelfer schnitt ihre Fingernägel und reinigte sie. Ihrem Sohn wurde ein Termin gegeben, damit er die Medikamente in der Ambulanz von Yenfaabima abholt und die Behandlung wieder aufgenommen werden kann. Ihre Kinder erhielten Ratschläge bezüglich Körperpflege und Ernährung, um das körperliche Wohlbefinden der Patientin zu verbessern.
Juni 2024
L.P. ist ein Patient, der in Houarikoaga lebt. Bei ihm wurde in Yenfaabima eine Grand-Mal-Epilepsie diagnostiziert. Er hatte jedoch die Behandlung abgebrochen, da sein Antiepileptikum (Phenobarbital) zu diesem Zeitpunkt nirgends zu bekommen war, und war in ein Gebetszentrum nach Fada gegangen. Dort brach seine Symptomatik mit enormen epileptischen Anfällen vom Typ eines Status epilepticus wieder aus. Seine Eltern brachten ihn in sein Dorf zurück. Er war apathisch und bekam fast alle 10 Minuten einen Krampfanfall. Einer seiner älteren Brüder alarmierte Pastor G., der ihn zu Hause besuchte. Dieser Besuch, — so berichtete der Gesundheitshelfer — ermöglichte die Wiederherstellung einer therapeutischen Beziehung zu L.P., dem es jetzt gut geht. Der Pastor besuchte ihn zwei Wochen lang täglich zu Hause. Sein nächster Termin ist Ende August im Yenfaabima-Aufnahmezentrum.
August 2024
Eine Patientin namens K L aus Tiongopori wird seit über drei Jahren in Yenfaabima betreut und erhielt die Diagnose einer chronisch-halluzinatorischen Psychose. Einer der freiwilligen Gesundheitshelfer hat sie aufgesucht, weil sie eine psychomotorische Unruhe mit vielen Halluzinationen entwickelt hatte. Kurz zuvor hatte sie einen nahen Verwandten verloren. Es wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen der Verschlechterung und dem Verlust vermutet. Pastor G. wurde um Hilfe gebeten und er brachte die Patientin noch am selben Tag nach Yenfaabima in Begleitung ihrer zwei Kinder, wo ihr geholfen werden konnte.
September 2024
G.B. hatten wir seit mehr als sieben Monaten aus den Augen verloren. Dank eines routinemäßigen Programms für unangekündigte Besuche wollte Pastor Guitanga sie aufsuchen. Er musste feststellen, dass unsere Patientin zu einem traditionellen Heiler gegangen war, in ein Dorf, das 20 km von Piéla entfernt liegt. Bei diesem Besuch erfuhr Pastor G., warum sie die Behandlung unterbrochen hatte: Ihr Sohn berichtete, dass eine falsche Vorstellung über die Ursache ihrer Krankheit der eigentliche Grund dafür sei. Ihr Vater habe gesagt, dass er die Ahnen um ihre Geburt gebeten habe; und da er den Versprechen, die er dabei gegeben habe, nicht nachgekommen sei, seien die Götter der Ahnen wütend geworden. Daher hoffte er, dass traditionelle Heiler das Problem der Krankheit seiner Tochter (unserer Patientin) lösen könnten, da diese sich — zumindest aus seiner Sicht — für die Heilung von G.B. verwenden könnten. Nach langen Verhandlungen zwischen dem Pastor, G.B.s Onkeln und dem traditionellen Heiler, sowie intensiver Aufklärung seitens Pastor Guitangas wurde diesem die Erlaubnis erteilt, die Patientin in die Ambulanz nach Yenfaabima zu bringen. Ihr Sohn setzte sich sehr für die medizinische Behandlung der Mutter ein. So konnte die Patientin noch am selben Tag in Yenfaabima behandelt werden. Sie wurde im Fahrzeug des Pastors transportiert. Der Heiler verbot uns, Aufnahmen bei ihm zu machen.
Hier finden Sie den ausführlichen aktuellen Geschäftsbericht 2023 der Mindful Change Foundation inklusive finanziellem Bericht als pdf-Datei.
Bericht über die Tätigkeit der Stiftung
Überblick
Im Jahr 2023 haben wir
- das Samentacom-Projekt in der Côte d’Ivoire und das Yenfaabima-Projekt aus Burkina Faso fortgeführt und
- die Umsetzung des 2022 geplanten Projekts „CAMPPSY“ der Zusammenarbeit mit den Gebetscamps in zwei Regionen der Côte d’Ivoire mit starker finanzieller Unterstützung der Schmitz-Stiftungen realisiert.
Wir haben in dem Geschäftsbericht von 2022 unsere grundsätzliche Ausrichtung und die beiden dauerhaHen Projekte ausführlich vorgestellt. Deshalb wollen wir diesmal vor allem über das 3. Projekt berichten, das vorrangig unsere Aufmerksamkeit beansprucht hat.
Samentacom / Côte d’Ivoire
Die Aktivitäten im Rahmen von Samentacom in der Elfenbeinküste wurden unverändert und in ähnlichem Umfang fortgesetzt: Supervision der Behandlungen in den Centres de Santé (Dispensaires), Telefonberatungen, aufsuchende Hilfe und Arbeit mit den Familien durch die Agents de santé, staGonäre Behandlungen für einzelne Patient:innen, Unterstützung von zwei Selbsthillfegruppen der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Medikamente konnten wir über Medeor liefern, leider mit zeitweiligen Enpässen (s. u. „Ausblick“). Eine besondere Rolle spielen Auplärungsveranstaltungen und Radiosendungen. Die Feier des weltweiten Tages der psychischen Gesundheit im Kulturzentrum von Brobomit zahlreichen Betroffenen, ihren Familien sowie den lokalen und regionalen Behörden. In 8 Gesundheitszentren wurden insgesamt 3936 PaGent:innen behandelt, mit den Diagnosen Psychose (52%), Depression (30 %) und Epilepsie (10%), SonsGge (8%). In diesem Jahr (2024) planen wir größere Veränderungen, weil die Zusammenarbeit mit den Gebetscamps, die in dem Sonderprojekt entwickelt wurde, ab 2025 in Samentacom integriert werden soll (s. u.).
Yenfaabima / Burkina Faso
In Burkina Faso war und ist die Situation durch die Verschlimmerung der Sicherheitslage wesentlich schwieriger. Die Arbeit von Yenfaabima war durch die kriminellen und politisch-militärischen Unruhen im Land 2023 sehr beeinträchtigt. Die Probleme sind auch in der Stadt und in der Umgebung von Piéla, dem Ort, an dem Yenfaabima arbeitet, massiv. Viele Menschen sind nach Überfällen vom Land in die Stadt geflüchtet. Psychisch kranke Menschen und ihre Angehörigen wurden vermehrt im Zentrum von Yenfaabima aufgenommen. Die Versorgung mit Lebensmitteln war und ist noch ein erhebliches Problem. Eine aufsuchende psychiatrische Arbeit war nur eingeschränkt möglich und mit erheblichen Gefahren verbunden. Dennoch wurde (und werden) ca. 200 Patient:innen / Monat ambulant behandelt, darüberhinaus Hausbesuche durch die Agents de santé, Notfallaufnahmen im Zentrum von Yenfaabima und öffentliche Veranstaltungen zur Aufklärung über schwere psychische Erkrankungen und Epilepsie durchgeführt.
Inzwischen liegt eine staatliche Genehmigung für Fortbildungen vor, um die sich Yenfaabima über Jahre bemüht hat. Es bleibt weiterhin ein Ziel, auch Fortbildungen und Supervsionen in den Centres de Santé durchzuführen, aber die aktuelle Situation macht eine Erweiterung der Aktivitäten fast unmöglich.
Unsere Unterstützung bestand 2023 in einer Beteiligung an der Finanzierung der Stelle von Timothée Tindano und eines Teils der benötigten Medikamente, sofern sie von den Patient:innen und ihren Familien nicht bezahlt werden können. In geringem Umfang wurden von uns auch dringend notwendige technische Hilfsmittel finanziert. Wir haben unsere Unterstützung also unverändert fortgesetzt und tun dies weiterin in der Hoffnung, dass sich die Gesamtsituation vor Ort bald bessert und die psychiatrische Arbeit intensiviert werden kann.
Camppsy / Côte d ́Ivoire
Mit Unterstützung der Schmitz-Stiftungen (https://www.schmitz-stiftungen.de) haben wir 2022 mit unserer Partner-Organisation MCF-CI ein neues Projekt in der Elfenbeinküste entwickelt. Über diese Vorarbeit, insbesondere die notwendigen Erhebungen und Expeditionen zu diesen Camps, haben wir in dem Geschäftsbericht von 2022 ebenfalls ausführlich berichtet. 2023 wurde es nun umgesetzt und finanziert. Es beinhaltete eine Kooperation mit 10 Gebetscamps in der Côte d’Ivoire. Dort wurden insgesamt 100 Patient:innen behandelt. Jedem Gebetscamp war ein Agent de Santé zugeordnet, ein Team aus Psychiatern, Krankenpfleger:innen und einer Psychologin besuchte regelmäßig die Camps und legte die Behandlung fest. Zu Beginn des Projekts Patient:innen an Bäume angekettet, die meisten über viele Jahre. Nach drei Monaten Laufzeit war es möglich, alle von den Ketten zu befreien und nach 6 Monaten war über die Hälfte der Patient:innen nach Hause entlassen. Die Durchführung des Projekts war nicht einfach: Die Transportmittel erwiesen sich als reparaturanfälliger als gedacht, die Medikamentversorgung war in einer Phase unzureichend, die Voruntersuchung waren ebenso wie Evaluation nicht so umfassend und neutral wie geplant und vor allem erwies es sich als schwierig, die Nachbehandlung zu gewährleisten. Dabei ist eine gute Nachsorge die größte Herausforderung. Um sie zu bewältigen, ist es notwendig, die Gebetscamps so auszuwählen, dass von Anfang an eine Betreuung durch die Centres de Santé möglich ist, die sich zum Einen in der Nähe befinden und die zum Zweiten über Mitarbeiter:innen verfügen, die für die Behandlung von schweren psychischen Erkrankungen und Epilepsie ausgebildet sind. Das Team von Samentacom kann sich dann auf die Supervision und Organisation konzentrieren. Wir haben sehr viel bei diesem Modellprojekt gelernt und müssen nun die richtigen Schlüsse ziehen und umsetzen.
Aber nicht nur als Versuch und als Lernerfahrung, sondern auch als unmittelbare Besserung der SituaGon der Betroffenen und ihrer Angehörigen war das Projekt ein Erfolg. Als wir im März/April 2024 einige dieser Camps besuchten, begegneten wir einer bewegenden Dankbarkeit von Patient:innen, Angehörigen, Mitarbeitern des Projekts und sogar von den Leitern der Camps, die die guten Verläufe teilweise so erklärten, dass durch die Medikamente ihre Gebete viel besser zu den Patient:innen durchdrangen. Einen ausführlichen Bericht von dieser Reise finden Sie unter „Aktuelles“ auf https://mindful-change.org/.
Auch zwei afrikanische Fernsehsender haben über das Camppsy-Projekt berichtet.
Ausblick
Das Team in der Elfenbeinküste plant mit unserer Unterstützung, die Zusammenarbeit mit den Prayer Camps fortzuführen – als integrierten Bestandteil des übergeordneten Modellprojekts „Samentacom“, das wir fortsetzen wollen. Die Planung dazu ist im Gange (Stand Oktober 2024). Wir werden dafür erneut Fördermittel von einer finanzstärkeren Organisation benantragen. Derzeit warten wir auf die Beurteilung aller Daten und Abrechnungen, die wir an die Schmitz-Stiftungen geliefert haben, denen wir zu großem Dank verpflichtet sind. Sowohl die Beantragungen als auch die Bilanzierungen sind für uns mit einem erheblichen Aufwand verbunden und alles braucht sehr viel Zeit. Deshalb wird 2024 ein Übergangsjahr, in dem bei uns allerdings wesentliche Veränderungen stattfinden, über die wir möglichst zeitnah auf unserer Homepage berichten. Wir haben die Gründung eines Beirats beschlossen und er hat sich inzwischen konstituiert. Darüberhinaus haben wir 2024 begonnen, zwei weitere Projekte, eins in Kamerun und eins in Indonesien (Insel Flores), zu unterstützen. Auch diese Projekte stellen wir auf unserer Homepage vor. Die Grundidee ist die einer Startfinanzierung und ‑beratung erfolgsversprechender Projekte, die sich dann mit unserer Hilfe und evtl. der Hilfe anderer Organisationen zu Modellprojekten weiterentwickeln können. Eine umfassendere Versorgung in einem Land streben wir nicht an, wohl aber zu zeigen, dass grundsätzliche Verbesserungen möglich sind.
Dr. Michael Huppertz, 1. Vorstand MCF, (für den Vorstand), Oktober 2024
Im März/April dieses Jahres ist wieder ein Teil des Vorstandes der Mindful Change Foundation, Michael Huppertz und Mania Kroll, in die Elfenbeinküste gereist um sich vor Ort einen Eindruck über das Fortschreiten der von uns unterstützten Projekte zu machen, uns mit den lokalen Partner:innen auszutauschen und gemeinsam die nächsten Schritte zu planen.
Am 22. November 2023 veröffentlichte der ivorische Privatfernsehsender NCI eine Reportage über das CAMPPSY-Projekt mit dem Titel “Camps de prière: le combat des professionnels de la santé” und veröffentlichte sie auf dem offiziellen NCI YouTube-Kanal.
Wir möchten Ihnen zum Jahresende 2023 kurz über den Stand der Arbeit der Mindful Change Foundation berichten.
Wir freuen uns, dass wir auch dank Ihrer Hilfe unsere Arbeit für die Menschen mit schweren psychischen und epileptischen Erkrankungen in der Elfenbeinküste und Burkina Faso fortsetzen konnten.
Einen umfassenden Bericht über unsere vergangene Planung für 2023 und einen Rückblick auf das vorige Jahr 2022 finden Sie auf der Startseite.
Am 10. Oktober hat die WHO einen Bericht über die Untersuchung von 2021 und das Camppsy-Projekt in der Elfenbeinküste veröffentlicht, das von den Schmitz-Stiftungen aus dem EZ-Kleinprojektefonds und uns finanziert und mitgeplant wurde. Diese Veröffentlichung ist ein wichtiger Schritt, um die Situation der Patient:innen in den Prayer Camps international bekannt zu machen und zu zeigen wie sie verbessert werden kann.
Vom 4. bis zum 19. Mai 2023 reisten wir, Fariedeh Huppertz und Gesine Heetderks, diesmal in Begleitung zwei befreundeter Schweizer Arztkollegen, Giovanna Kissner und Jürg Skalsky, erneut in die Cote d’Ivoire. Das sozialpsychiatrische Projekt SAMENTACOM wird dieses Jahr ergänzt durch das Projekt CAMPPSY: Patientinnen und Patienten werden in sogenannten Gebetscamps aufgesucht und behandelt.
Menschen mit psychischen und epileptischen Erkrankungen in die medizinische Grundversorgung aufnehmen — SAMENTACOM
SAMENTACOM steht für Santé Mentale Communautaire, d.h. psychische Gesundheit auf Gemeindeebene. Wie in vielen armen Regionen der Welt werden auch in der Elfenbeinküste Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen oder Epilepsie kaum diagnostiziert und behandelt. Daraus entstehen leidvolle Lebensumstände für sie und ihre Familien. Das Projekt Samentacom verfolgt das Ziel, psychisch kranken Menschen eine sozialpsychiatrische Behandlung zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, vermittelt das SAMENTACOM-Team um den Psychiater Prof. Médard Koua psychiatrische Grundkenntnisse an Ärzte und Pflegeteams regionaler Gesundheitszentren. Dort sind die neu ausgebildeten Pflegekräfte und Gesundheitshelferinnen und – helfer in der Lage, als erste und wichtigste Ansprechpartner den Betroffenen zu helfen. Die oft sehr arme ländliche Bevölkerung erfährt so Aufklärung, Unterstützung und Behandlungsmöglichkeiten, wo psychische Krankheiten bislang nicht erkannt, anders gedeutet und stigmatisiert wurden.
Das Pilotprojekt SAMENTACOM umfasst rund 10 Gesundheitszentren und wird von unserer Stiftung seit 2018 finanziert. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“, die das Projekt überzeugend fand, kam als zweite NGO dazu und hat 2022 mit der Finanzierung weiterer Gesundheitszentren begonnen. Sie finden weitere Informationen dazu auf unserer Website
Dieses Jahr interessierte uns ganz besonders der Verlauf des neuen Projekts mit Namen CAMPPSY. Das Pilotprojekt wird von den Schmitz-Stiftungen aus dem EZ-Kleinprojektefonds, das überwiegend aus BMZ Mitteln gespeist wird, und uns finanziert. Es macht sich zur Aufgabe, eine neue Kooperation mit sog. Gebetscamps zu beginnen, in denen viele Männer und Frauen mit psychischen Erkrankungen zu finden sind.
Zur Situation der Menschen mit psychischen Erkrankungen und Epilepsie
In der Elfenbeinküste leben viele psychisch kranke Menschen in sog. Gebetscamps. Gebetscamps sind Dörfer zwischen 100 und 500 Einwohnern, die überall im Land verteilt sind. Sie sind in der Elfenbeinküste sehr zahlreich. Bei einer psychischen Erkrankung oder einer Epilepsie werden die Betroffenen häufig von ihren Verwandten in diesen Camps gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme untergebracht. Die Leiter dieser Camps, auch Propheten genannt, sind einfache Leute, oft Kleinbauern, ohne schulische Kenntnisse. Sie berichteten, sie seien von Gott berufen, diese Camps zu führen. Die Propheten leben und beten mit den Bewohnern für die Kranken. Darüber hinaus werden diese mit Kräutern oder Fastenkuren behandelt, gelegentlich auch mit Schlägen, um böse Geister auszutreiben. Wenn Kranke aggressiv sind oder weglaufen wollen, werden sie – manchmal über mehrere Jahre – an Bäume im Freien angekettet. Eine psychiatrische Behandlung nach dem medizinischen Modell ist weitgehend unbekannt und wird zum Teil auch misstrauisch betrachtet.
Das Projekt CAMPPSY
Ziel des Projektes CAMPPSY ist es, psychisch kranke Menschen, die in solchen Gebetscamps untergebracht sind, einer sozialpsychiatrischen Behandlung zuzuführen. Diese Menschen sind für eine Behandlung nur erreichbar, wenn es gelingt, die Leiter der Camps zur Zusammenarbeit zu gewinnen und die Patienten und ihre Angehörigen über psychische Erkrankungen aufzuklären. Hierauf ist das Projekt ausgerichtet: In zehn solcher Gebetscamps sollen etwa 100 Patienten eine Behandlung erhalten. Erreicht werden soll, dass sie so weit gesunden, dass sie wieder in ihren Familien leben können und die angeketteten Patientinnen und Patienten von ihren Ketten befreit werden und sich wieder frei im Alltag bewegen können. Die weitere Versorgung kann dann von Gesundheitszentren, die dafür ausgebildet sind, übernommen werden.
Auf unserer Reise wollten wir uns ein Bild machen über die praktische Arbeit vor Ort des CAMPPSY Teams, das vom ivorischen Psychiater Médard Koua , Professor für Psychiatrie an der Universität von Bouaké, zusammengestellt wurde. Wir konnten die Tätigkeit des Teams in sieben dieser Gebetscamps beobachten, begleiten und beraten. Wir haben vier Gebetscamps in der Gegend von Bouaké und drei Camps in der Gegend der 6 Stunden und 357 km entfernt liegenden Stadt Soubré besucht.
Wir trafen ein sehr motiviertes Team an, das bereit war, mit uns über die begonnene Arbeit zu diskutieren und uns in die Zentren der praktischen Arbeit mitzunehmen. Das Team bestand aus Psychiatern, Pflegekräften, Pharmazie- Assistenzen, Soziologen und Agents de Santé (Personen, die über eine elementare Ausbildung für psychische Erkrankungen, vor allem aber gute Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten verfügen). Die Wege zu den Gebetscamps waren extrem schlecht, insbesondere nach Regengüssen, eine Herausforderung für Fahrer und Begleiter. Wir wurden gründlich durchgeschüttelt.
Wir konnten nur christlich geführte Camps besuchen. Muslimische oder traditionelle Camps sind in der Elfenbeinküste ebenfalls zu finden. Doch ist es bisher mit diesen Camps nicht zu einer Kooperation gekommen.
Von den Propheten der Camps wurden wir freundlich begrüßt mit einer kleinen Zeremonie, bei der man Neuigkeiten austauschen und Fragen stellen konnte. Es wurden auch Bitten um Unterstützung bei Nahrungsmitteln oder beim Bau eines Brunnens geäußert. Nicht alle Camps hatten sauberes Wasser. Die Hütten waren oft sehr einfach, manchmal auch sehr ärmlich, die Wände aus Lehm und zusammengesammeltem Holz, die Dächer aus Palmblättern und schwarze Plastikplanen konstruiert, um die heftigen Regengüsse aufzuhalten.
Die Sprechstunden fanden meist im Freien, manchmal auch in einer einfachen Halle statt, die sonst für Gottesdienste und Versammlungen genutzt wurde. Kinder spielten in der Nähe, manchmal gesellten sich auch andere Dorfbewohner dazu, um in einem gewissen Abstand zu schauen, was da geschieht. Es waren auch Angehörige waren dabei, die mit den Patienten im Camp leben und sich um sie kümmerten, sie mit Nahrung und den verschriebenen Medikamenten versorgten.
Die Propheten klagten jedoch auch darüber, dass psychisch kranke Menschen mit der Bitte um Heilung in die Camps gebracht würden, die Angehörigen sich aber dann aus dem Staub machten, ohne weiter für das kranke Familienmitglied zu sorgen. Auch die Wiederaufnahme der Genesenen in deren Dorf werde manchmal boykottiert. Gelegentlich, so wurde uns berichtet, hätten die Dorfbewohner die Felder des Kranken während dessen Aufenthalt im Gebetscamp unter sich aufgeteilt.
Wir sahen viele psychisch schwer erkrankte Menschen, die dringend einer Behandlung bedurften. Auch waren einige seit Jahren angekettet. In den Camps, wo das Team schon begonnen hatte zu arbeiten, berichteten Patienten und Angehörige über erstaunliche Verbesserungen der Krankheitssymptome. Mehrere Patienten konnten von ihren Ketten befreit werden.
Die meisten Gespräche wurden in Baoulé geführt, einer Sprache, die ein großer Teil der ivorischen Bevölkerung spricht. Nicht alle sind mit der offiziellen Landessprache Französisch vertraut. Der Arzt übersetzte einiges. Aber auch das dort gesprochene Französisch konnten wir nicht immer verstehen und waren dann auf unsere Beobachtungen angewiesen.
Die Aufklärung darüber, dass es sich bei den Symptomen der Patienten um eine Krankheit und nicht um Besessenheit durch böse Geister handelt, scheint inzwischen doch einiges zu bewirken. Für die Angehörigen, oft besorgte und mit ihren Kindern leidende Mütter, Ehegatten oder andere – meist weibliche – Verwandte war es auch ein Hoffnungsschimmer, dass eine Gesundung oder zumindest eine Verbesserung der Symptome möglich ist und es einen Weg aus der völligen Aussichtslosigkeit gibt. Wir hoffen sehr, dass dieses Projekt mehr und mehr Menschen überzeugt.
Beeindruckt hat uns ein Gottesdienst, der nahe eines Gebetscamps stattfand. Wir wurden gebeten teilzunehmen, weil dort auch für die psychisch kranken Menschen gebetet werden sollte. Wir fanden uns inmitten vieler Menschen wieder, die tanzten, sangen und beteten und uns lachend begrüßten. Ihre Spiritualität hatte etwas sehr Fröhliches, Zugewandtes. Nach dem Gottesdienst kamen einige Hilfesuchende mit psychischen Problemen in die Sprechstunde des CAMPPSY Teams auf dem Camp-Gelände.
Mangel an Medikamenten – ein wiederkehrendes Problem
Die Lieferung von Medikamenten stellte ein akutes Problem dar. Phenobarbital, ein häufig verwendetes Medikament gegen Epilepsie, konnte über eine gewisse Zeit nicht geliefert werden. Dies ist ein Medikament, das normalerweise von der Nationalen Pharmaziebehörde geliefert wird. Eine Umstellung auf Carbamazepin, ein bei uns gebräuchliches Antiepileptikum, war für viele Patienten zu teuer, weil die Handhabung eines von uns finanzierten Sozialfonds sich in der Praxis immer wieder als sehr schwierig erweist. Es gab logistische Probleme bei der Medikamentenlieferung. Action Medeor, unsere bewährte deutsche Partner-NGO, die SAMENTACOM mit Medikamenten zu günstigen Preisen beliefert, konnte selbst zeitweilig bestimmte Medikamente nicht auf dem Markt beschaffen. Aber es gab auch logistische Lieferprobleme vor Ort, sodass unsere Projektpartner aus verschiedenen Gründen zeitweise nicht über genügend Medikamente verfügten. Helfer vor Ort baten händeringend um finanzielle Unterstützung, damit die Behandlung Schwerkranker fortgesetzt werden konnte.
Wir mussten feststellen, dass es Behandlungsabbrüche aus finanzieller Not gibt. Örtliche Apotheken verfügen zwar über geeignete Medikamente, doch sind diese für die Patienten in der Regel nicht bezahlbar. Wir konnten akut aushelfen, waren aber sehr erschüttert darüber, wie groß die Not ist. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass größere Vorräte für solche Krisenzeiten geschaffen werden. Unsere Stiftung wird dafür weiter finanzielle Unterstützung leisten.
Ermutigen und sichtbar werden: Selbsthilfegruppe für Menschen mit psychischen Erkrankungen
Sehr gefreut haben wir uns über einen Besuch in Brobo nahe Bouaké, wo sich eine seit einem Jahr bestehende Selbsthilfegruppe von Patienten mit psychischen Erkrankungen einmal monatlich trifft. Einige Angehörige begleiteten die Patienten und es fand ein reger Austausch statt. Die Gruppe dient dazu, dass die Patienten sich gegenseitig unterstützen und ihrer Diskriminierung entgegenwirken. Diese Gruppe wird von unseren Partnern unterstützt und begleitet. Derartige Selbsthilfegruppen sind an mehreren Orten geplant. Auch die WHO empfiehlt die Bildung dieser Gruppen, um die gesellschaftliche Position der Betroffenen und der Angehörigen zu stärken.
Weiterentwicklung in der Elfenbeinküste: Wachsende Sensibilisierung für psychische Gesundheit in der Bevölkerung
Inzwischen hat unsere ivorische Partner- NGO Mindful Change-CI bei den politischen Stellen einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Professor Koua wurde 2022 staatlicherseits zum koordinierenden Direktor des „Nationalen Programms für Psychische Gesundheit“ in der Côte d’Ivoire ernannt. Seine Institution ist jedoch bislang finanziell schwach ausgestattet.
In Abidjan konnten wir aber an einer vielbeachteten Konferenz mit Regierungsvertretern, Vertretern der WHO und „Ärzte ohne Grenzen“ teilnehmen. Dort wurden erste Schritte für den Zugang von Frauen und Müttern mit psychischen Problemen zu einer kompetenten psychiatrischen Versorgung geplant, und um finanzielle Unterstützung gebeten. Es besteht begründete Hoffnung, dass der Staat sich durch diese wichtige Arbeit unserer Projektpartner zunehmend seiner Verantwortung für Menschen mit psychischen Problemen bewusst wird.
Insgesamt waren wir beeindruckt von dem Engagement des ivorischen Projektteams. Zwar funktioniert nicht alles so, wie wir es uns vorstellen, aber der Spirit, etwas für diese bisher unbeachtete, gesellschaftlich ausgeschlossene und stigmatisierte Gruppe von Patienten erreichen zu wollen, war deutlich spürbar. Wir sahen einen lebendigen Austausch der oft noch jungen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die noch viel vorhaben, um die Integration psychischer Gesundheit in der landesweiten Grundversorgung voranzubringen. Erwähnenswert ist auch, dass der Psychiater Dr. Djo Bi Djo, Koordinator der medizinischen Aktivitäten von SAMENTACOM, bereits in das Nachbarland Mali eingeladen wurde, um das Projekt dort vorzustellen und den Beginn einer sozialpsychiatrischen Versorgung in Mali zu initiieren.
Wir freuen, mit Ihrer Hilfe unser Partner- Team in diese Arbeit für Menschen mit Epilepsie und psychischen Erkrankungen weiter zu unterstützen und danken Ihnen sehr herzlich für die bereits empfangenen Spenden!
Dr. Gesine Heetderks Ärztin für Neurologie und Psychiatrie / Psychotherapie
Dr. Fariedeh Huppertz Ärztin für Psychotherapeutische Medizin